Kein Interesse an Belohnung

Ein Beitrag von Wibke Hagemann

Lob, Spiel, Zuwendung und Futter sind Möglichkeiten unseren Hunden im Training positives Feedback zu geben. Dieses Feedback, sofern es richtig eingesetzt wird, sorgt dafür, dass unsere Hunde uns das gerade gezeigte Verhalten in Zukunft öfter anbieten werden. Das Training über positive Verstärkung ist also keinesfalls auf „Kekse füttern“ beschränkt, auch wenn dies manchmal so dargestellt wird.

Clickertraining oder auch „positives Training“ ist keine neue Erfindung, sondern wissenschaftlich fundiertes Training, das mit vielen Tierarten erfolgreich durchgeführt wird. Und das sage ich nicht, weil ich es irgendwo gelesen haben, sondern aus meiner jahrelangen Erfahrung mit Zebras, Affen, Kamelen, Nasenbären und sehr vielen anderen Tieren.  

In meiner Tätigkeit als Hundetrainerin berichten mir Menschen jedoch immer wieder, ihre Hunde seien nicht an Futter, Spiel oder generell an Zusammenarbeit interessiert. In der Regel ist die Beobachtung dieser Hundehalter*innen erstmal völlig richtig, jedoch fehlt hierbei die Frage nach dem: Warum?

In den allermeisten Fällen lehnen Hunde ein schmackhaftes Häppchen oder die Interaktion mit ihren Menschen nicht aus Desinteresse ab. Ein genauerer Blick zeigt oft, dass viel mehr dahinter steckt und genau diese Aspekte möchte ich gerne beleuchten.

Desinteresse oder Unsicherheit

Die vermeintlichen Belohnungsverweigerer sind sehr häufig Hunde, die als sehr aufgeregt, unsicher oder ängstlich beschrieben werden. Oft beobachten die Menschen auch Verhalten, wie zum Beispiel „der Hund wendet sich ab, wenn ich ihn streicheln möchte“ oder „das Leckerchen wird ausgespuckt oder sogar ignoriert“.  Hier stecken bereits wichtige Informationen drin, denn es könnte sich dabei bereits um Fehlinterpretationen des hündischen Verhaltens handeln.  

Mehr zum Thema erfahren Sie im Blogbeitrag zum Thema „Irrtümer beim Training mit ängstlichen Hunden„.

Der Hund hat negativen Stress

Es gibt bei Hunden aktive und passive Stresstypen. Das bedeutet, je nach Charakter und Lernerfahrung, reagieren Hunde sehr unterschiedlich auf negativen Stress oder starke Emotionen, wie zum Beispiel Angst.

An einem menschlichen Beispiel lässt sich das gut veranschaulichen: Stellen Sie sich vor, Sie haben starke Prüfungsangst. Je nachdem, wie Ihre charakterlichen Eigenschaften und Vorerfahrungen sind, gehen Sie mit dem negativen Stress unterschiedlich um. Wenn Sie der aktive Stresstyp sind, können sie vor einem Prüfungstermin nicht stillsitzen oder rennen ständig zur Toilette, obwohl sie nicht wirklich müssen. Als passiver Stresstyp kriegen sie beim Frühstück keinen Bissen herunter, können mit niemandem sprechen oder starren wie hypnotisiert Löcher in die Luft.

Natürlich ist niemand von uns ein rein aktiver oder passiver Stresstyp, denn das hängt außerdem von der Tagesform, den Gegebenheiten und unserer Gefühlslage ab. Und genauso geht es unseren Hunden auch.

Die Symptome, die der negative Stress bei Hunden auslöst, sind denen bei uns Menschen sehr ähnlich – nicht essen können, nicht ansprechbar sein, Hektik, Vermeiden von Berührungen, Tunnelblick. Der Auslöser dafür kann große Aufregung, Angst oder starke Unsicherheit sein.

Der Hund ist nicht gesund 

Darüber hinaus leiden heute viele Hunde unerkannt an Magenproblemen. Je nachdem wie stark ausgeprägt die gesundheitlichen Probleme sind, kann der Hund unter Übelkeit, Sodbrennen oder Magenschmerzen leiden. All das macht es natürlich schwer Begeisterung zu zeigen, wenn Frauchen oder Herrchen für eine tolle Leistung ein Häppchen reichen.

Sollte Ihr Hund unter häufigem Schluckauf, morgendlichem Erbrechen von gelbem Schaum oder häufigem Grasfressen leiden, empfehle ich dringend einen Tierarztbesuch.

Erst gut, dann doof

Viele Menschen haben das Bedürfnis, ihre Hunde im Training mit Streicheln zu belohnen. Oft wird dabei nicht hinterfragt, ob der Hund das Gestreicheltwerden an dieser Stelle auch als angenehm empfindet.

Der Klassiker in der Hundeschule ist folgendes Szenario: Der Hund hat etwas toll gemacht, der Mensch gibt ihm Feedback, dass dies richtig war – greift zum Keks und füttert den Hund. Und dann folgt direkt ein ausgiebiger Tätschler auf dem Kopf oder Ohrengewuschel.

Oft sieht man Hunde die sich dabei wegducken, zu Seite drehen oder andere körpersprachliche Beschwichtigung zeigen.  
Das Ergebnis dieser Vorgehensweise ist leider, dass wir den gerade angenehmen Keks mit etwas Unangenehmem wieder abwerten.

Das heißt nicht, dass der Hund nicht grundsätzlich gern gestreichelt wird. Viele Hunde sind zuhause auf der Couch begeisterte Kuschler, aber im Training oder unterwegs empfinden sie das Streicheln als störend oder sogar übergriffig. Daher sollte immer gelten: Training ist Training – Kuscheln ist Kuscheln, schön getrennt voneinander.

Strategien für den Alltag erhalten Sie in meinem Webinar „Angsthunde – Was hilft und was nicht„.

Die Beispiele zeigen auf, dass die Verweigerung von Futter im Training viele Gründe haben kann und das mit ernstzunehmendem Hintergrund. Faktoren wie Gesundheit, Wohlbefinden und emotionaler Status haben entscheidenden Einfluss darauf, ob unsere Hunde sich auf die Zusammenarbeit mit uns einlassen können. Daher sollte die Verweigerung von Belohnung, egal in welcher Form, nicht hingenommen, sondern hinterfragt werden.

Meine Tipps

Hier kommen 3 Tipps, wie Sie überprüfen können, ob die Belohnungsverweigerung Ihres Hundes Stress oder Angst als Ursache hat:  

  1. Bieten Sie Ihrem Hund in einer ganz entspannten Situation ein schmackhaftes Futterbröckchen an. Geben Sie ihm dieses nicht aus der Hand, sondern zeigen Sie es ihm beziehungsweise lassen ihn daran schnüffeln und werfen es in Blickrichtung des Hundes weg.
  1. Bieten Sie Ihrem Hund ein Spielzeug an. Es darf auch gerne eine alte Socke oder ein weiches Stofftier sein. Werfen Sie das Spielzeug einige Male in etwas Distanz zum Hund ein wenig hoch und fangen es wieder auf. Spielen Sie vielleicht selbst ein wenig damit herum und bieten es dann dem Hund an, indem Sie das Spielzeug in Blickrichtung des Hundes 1 m weg werfen.
  1. Bitten Sie eine Person, die Ihren Hund gut kennt, ein Leckerchen zu geben. Die Person sollte möglichst in die Hocke gehen. Direkt nach der Keksgabe sollte die Person den Hund streicheln. Filmen Sie das Ganze und schauen Sie sich das Video in halber Geschwindigkeit an. Sieht Ihr Hund happy aus?

Fazit: Training über Belohnung funktioniert, aber wir müssen einiges dabei beachten.

  • Der Empfänger der Belohnung entscheidet, ob es sich um eine Belohnung handelt.
  • Unangenehmes kann keine Belohnung darstellen, auch wenn wir es auf den ersten Blick nicht als solches interpretieren.
  • Gesundheitliches Probleme können zu Motivationsdefiziten oder Appetitlosigkeit führen und sollten unbedingt ernst genommen werden.
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